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Vortrag im Rahmen der Hengstkörung 2016

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 Engagierte Diskussion um Hengsthaltung

 

Bis auf den letzten Platz war der Theoriesaal über der Schmitte des Nationalgestüts in Avenches besetzt. Im Rahmen der Hengstkörung hatte der ZVCH zu einem Vortrag mit Podiumsdiskussion zum Thema «Hengsthaltung in der Schweizer Sportpferdezucht – wie weiter?» eingeladen.

In seinem Einstiegsvortrag zeichnete Dr. med. vet. Dominik Burger vom Schweizerischen Institut für Pferdemedizin ISME, Avenches, das immer grösser werdende Spannungsfeld auf, dem der Hengsthalter in der Schweiz ausgesetzt ist: Zum einen wird die Konkurrenz aus dem Ausland immer stärker: Jeder Pferdezüchter kann heutzutage schnell und unkompliziert Samen aus dem Ausland beziehen. Davon machen auch die ZVCH-Züchter rege Gebrauch: Bereits jede zweite Belegung erfolgt über eine Einzeldeckbewilligung.

«Die Hengsthaltung ist geprägt von Emotionen und Hoffnungen, aber auch von wirtschaftlichen Faktoren», erklärte Dominik Burger. Den Kosten für Ankauf oder Pacht eines Hengstes, Haltung, Management, seine Valorisierung (Körung, Sport, Vermarktung, Werbung) sowie die technischen Reproduktion stehen die Decktaxe und der Inkassomodus gegenüber. Bei einer Befragung hatte sich gezeigt, dass die meisten Schweizer Züchter bereit sind, eine Decktaxe zwischen 1000 und 2000 Franken zu bezahlen – und das am liebsten erst bei Geburt des Fohlens oder sonst in zwei Tranchen, bei Bedeckung und bei Trächtigkeit der Stute.

Auch die Globalisierung sowie der zunehmende Liberalismus und seine Folgen machen den Hengsthaltern zu schaffen. Das System der Körung, die bei der erwähnten Befragung nur noch von 36 Prozent der Züchter als wichtig erachtet wurde, wird hinterfragt, da es dafür keine verlässlichen Standards gibt. In jedem Zuchtgebiet wird die Körung nach anderen Kriterien und Methoden durchgeführt. Wie sich auch in der anschliessenden Podiumsdiskussion zeigte, sind dabei die Anforderungen an die Gesundheit der Hengste höchst umstritten. So ist manch ein Züchter ist erstaunt, wenn er erfährt, dass in deutschen Zuchtverbänden Hengste mit bis zu drei Gelenk-Chips zugelassen werden.

«Für den Züchter ist das alles sehr schwer durchschaubar», erklärte Dominik Burger. Die allgemeine sowie die qualitative Zuchtentwicklung in der Schweiz und in der EU, die sportlichen, aber auch die gesellschaftlichen Ansprüche, wie z.B. die wachsenden ethischen Vorbehalte gegenüber dem Pferdesport und der Pferdezucht, sowie politische Entscheide (z.B. die Spaltung der Schweizer Sportpferdezucht in zwei Verbände) seien Herausforderungen, denen der Hengsthalter künftig zu begegnen hat. 

Die anschliessende Diskussion wurde sehr engagiert geführt, sowohl auf dem Podium, auf dem die Hengsthalter Alois Seiler, Ueli Huber und Hans Grunder neben Veterinär Dominik Burger und ZVCH-Präsident Michel Dahn Platz nahmen, als auch mit dem Publikum. Alois Seiler, der seit 40 Jahren Pferde züchtet und Halter eines selbstgezogenen Hengstes ist, bekannte, dass er heute aus wirtschaftlichen Gründen keinen Hengst mehr halten würde. Ueli Huber, der zusammen mit seiner Frau der Schweizer Sportpferdezucht seit über 30 Jahren Pachthengste zur Verfügung stellt, rechnete vor, dass ein Hengst pro Jahr 25 bis 30 Stuten belegen müsse, «um ihn einigermassen wirtschaftlich halten zu können.» Das sei aber nie seine Motivation gewesen, sondern Leidenschaft und Herzblut hätten ihn bewegt Hengste zu halten.

Auch Hengsthalter Hans Grunder betonte, dass es nicht mehr wirtschaftlich sei, in der Schweiz Hengste zu halten: «Dieser Tatsache muss man ins Auge sehen.» Die Zeiten hätten sich geändert, die Grenzen seien weggefallen. Grunder forderte den ZVCH auf, «über die Bücher zu gehen und sich am Ausland zu orientieren». Vor allem in der Vermarktung sieht Grunder viel brachliegendes Potential. Das Körprozedere erachtete er als viel zu aufwendig, vor allem die strengen Gesundheitsanforderungen des ZVCH seien «ehrenwert, aber eine Benachteiligung für den Hengsthalter.» Mit dieser Haltung provozierte Grunder. Aus dem Publikum meldete sich Andreas Gygax zu Wort, der Besitzer des später gekörten Angloarabers Cestuy la de l’Esques, der das Ankören von ungesunden Hengsten als «Betrug am Züchter» bezeichnete. Ihm pflichtete Johann Müller bei und betonte die Wichtigkeit der Gesundheit auch in Bezug auf die Marktfähigkeit des vierbeinigen Nachwuchses: «Ein ungesundes Pferd kann ich nicht verkaufen, da lege ich erst recht Geld drauf.»

ZVCH-Präsident Michel Dahn wandte sich in der Folge an das Publikum und liess es in der «Gesundheitsfrage» abstimmen, wobei sich sämtliche Teilnehmer ohne Gegenstimme für das Beibehalten der gesundheitlichen Anforderungen aussprachen. Er nahm allerdings auch die verschiedenen Voten auf, welche die dreitägige Körung als zu aufwendig und zu lang bezeichneten und versprach, dass man innerhalb des ZVCH das Prozedere überdenken und Möglichkeiten zur Straffung suchen werde.

Angelika Nido Wälty